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Geologie und Mineralogie

Sebastian Ulrich

Geologie

Es existiert eine Vielfalt geologischer Begriffe, die in den ebenfalls vielfältigen Modellen über das metamorphe Erzgebirge verwendet werden. Das heutige Bild des Erzgebirges fußt auf der Begriffswelt des mittelalterlichen Bergbaus und ist in Jahrhunderten wissenschaftlicher Tätigkeit gereift. Jede Epoche hinterließ ein Inventar an Fachausdrücken, das scheinbar unauslöschlich, gewissermaßen als „Altlast“, die Zeiten überdauerte.

„Gneis, ein gebratener Sandstein“ - Die Anfänge

Beim Blick auf die geologische Karte in Abbildung 3 wird deutlich, dass das Erzgebirge oberflächlich zu ungefähr 75 % aus metamorphen Gesteinen besteht, etwa zwei Drittel davon sind Gneise.

Es ist nicht sehr überraschend, dass der Begriff Gneis aus dem sächsischen Bergbau stammt. Bereits Agricola schrieb in seinem 1556 erschienenen Werk „De re metallica“ vom „Gneus“. Zweihundert Jahre nach Agricola definierte Abraham Gottlob Werner (1787) erstmals den Gneis als Mineralgemenge aus Feldspat, Quarz und Glimmer. Bis heute gilt im wesentlichen diese Regel, wobei ein hoher Feldspatgehalt von mindestens 20 % gefordert wird, um einen Gneis von anderen Gesteinen, wie beispielsweise dem Glimmerschiefer, abzugrenzen.

Da Granit zum Beispiel häufig dieselbe Zusammensetzung hat, gehört zum Gneis zusätzlich eine Ausrichtung der Minerale – die Schieferung oder besser Foliation. Sie ist beim Gneis naturgemäß recht weitständig, da die hohen Feldspatgehalte den Gneis „kompakt“ machen und deshalb von einer echten Schieferung nicht die Rede sein kann.

Dass die Gneise im Kern des Erzgebirges vorkommen und von einer Hülle aus metamorphen Schiefern umschlossen sind (Abb. 3), schrieb als erster Carl Friedrich Naumann im Jahre1844 in seiner „Geognostische(n) Beschreibung des Königsreichs Sachsen“.

Allerdings erkannte man schnell, dass diese Zweiteilung nur eine sehr grobe Einteilung darstellt. Die erste Differenzierung des Gneiskerns nahm H. Müller 1850 vor. Er unterschied Rotgneis von Graugneis und verband damit die Vermutung, dass der rote Gneis jünger sei als der graue (Abb. 4). Die typische Farbe der Rotgneise wird durch winzige Hämatiteinlagerungen in den Kalifeldspatkristallen hervorgerufen – charakteristisch für SiO2-reiche Magmatite, wie den Granit. Folgerichtig wurde im Rotgneis ein magmatisches Gestein gesehen, das in einen Rahmen aus Graugneis hinein intrudierte. Diese Vorstellung bildete den Hintergrund der Erstkartierung der Gneise im Rahmen der geologischen Landesaufnahme Sachsens von 1872 bis 1895 unter der Leitung von Hermann Credner. Dies geschah, bevor Sauer erst im Jahre 1904 die metamorphe Natur im Gneis erkannte. Frühere Autoren hatten Ideen vom Gneis als „gebratenen Sandstein“ häufig verlacht.

Das einfache Modell eines alten (vielleicht sedimentären) Graugneises und jungen magmatischen Rotgneises blieb bis Mitte des 20. Jahrhunderts das Paradigma für die erzgebirgischen Gneise. Zuletzt wurde die Rot/Grau-Gliederung von Tichomirova 2003 in modifizierter Form wieder aufgegriffen und durch geochronologische Erkenntnisse gestützt.

Das Erzgebirge und die Alpen

Die Erforschungsgeschichte des metamorphen Erzgebirges spielte sich im 20. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Entwicklung tektonischer Modelle für das Entstehen von Gebirgen allgemein ab. Bis ins späte 19. Jahrhundert wurden die Gebirge fixistisch erklärt. Das heißt, sie entstanden dort, wo sie sich heute noch befinden – es sind keine Horizontalbewegungen der Erdkruste zur Erklärung ihrer Entstehung notwendig. Theoretisches Fundament der Geotektonik der damaligen Zeit ist die Kontraktionshypothese. Infolge der Schrumpfung der Erde, so die Theorie, kommt es zur Bildung von „Faltungszonen“, den globalen Gebirgsgürteln. Aber schon 1905 wurden die Westalpen auch im Sinne einer neuen Deckentheorie interpretiert. Noch bevor Wegener 1912 „unsere Kontinente wandern“ ließ, ging man von Verschluckungen ganzer Krustenabschnitte aus.

Erstmalig wurden die Alpen (und Karpaten) von Kossmat, der 1913 von Graz nach Leipzig gewechselt war, als Vorbild für die sächsische Geologie angesehen. Er wandte 1925 das Deckenkonzept unter anderem auf das Westerzgebirge an (Abb. 5).

Lithostratigraphie und die Zwiebel

Alle Ansätze einer progressiven horizontaltektonischen Geologie für das saxothuringische Grundgebirge wurden im Keim erstickt, als zehn Jahre nach Alfred Wegeners Tod im Grönlandeis der Geologe Hans Stille 1940 die Geosynklinaltheorie in Deutschland einführte. Der erklärte Gegner Wegeners schloss sich einer Theorie amerikanischer Wissenschaftler an, nach der sich in großen langgestreckten Senken, den Geosynklinalen, solange Sedimente akkumulieren, bis sich der Prozess plötzlich umkehrt und die Gesteine zu Gebirgen emporgefaltet werden. Auch für Sachsen und das Erzgebirge bedeuteten die Arbeiten Stilles eine Restauration des Fixismus, der sich hier bis zum Ende des 20. Jahrhunderts halten sollte.

In einer bekannten Polemik von 1954 setzte sich Kurt Pietzsch, der Vater der sächsischen Geologie, kritisch mit den Deckenbaugedanken auseinander und beendete damit für lange Zeit die Diskussion über Horizontalschübe im Erzgebirge.

Das entstandene Modellvakuum wurde ab 1964 mit dem Konzept der Lithostratigraphie gefüllt. Ausgehend von Kartierungsarbeiten kamen Lorenz und Hoth zu dem Schluss, dass sich bei weitem mehr Gesteine im Erzgebirge aufgrund ihrer petrographischen Besonderheiten parallelisieren lassen als bisher angenommen. Das einfache Bild von Gneiskern und Schieferrahmen wurde jetzt sehr detailliert zum „Zwiebelaufbau“ des Erzgebirges verfeinert. Diese Gliederung hat den Vorteil, dass die Bezeichnung der Schalen neutral ist, die Definition der Schalen jedoch auf Feldbefunden beruht.

Das Problem liegt im zugrundeliegenden Modell. Die Lithostratigraphen wenden konsequent das stratigraphische Grundprinzip an, nachdem jüngere Schichten auf älteren liegen, was bedeutet, dass in den Gneiskuppeln die ältesten Gesteine zu suchen sind. Von innen nach außen folgen dann immer jüngere Einheiten. Da die hangendsten und jüngsten Schiefer biostratigraphisch eingeordnet werden können und altpaläozoisches Alter offenbaren, wurde nun mit jeder unterlagernden Zwiebelschale die Erdgeschichte ein Stück zurückgedreht. An scheinbar markanten Metamorphosesprüngen, wie zum Beispiel zwischen den Glimmerschiefern und Gneisen, wurden Gebirgsbildungen bemüht. Auf diese Weise rutschten die tiefsten Schalen unserer Zwiebel sehr schnell ins Präkambrium.

Modernes Bild der Metamorphite des Erzgebirges

Heutige schlüssige Modelle über die Entstehung des Erzgebirges entstanden aus Puzzlesteinen der Erkenntnis sehr verschiedener geologischer Disziplinen, wie beispielsweise der Petrologie, der Strukturgeologie und der Geochronologie.

Die moderne Petrologie lässt den klassischen Schalenbau des Erzgebirges in einem neuen Licht erscheinen:

- Jede Schale hat eine eigene metamorphe Geschichte.

- Die Metamorphite gehören unterschiedlichen geothermischen Gradienten an.

- Höher metamorphe Gesteine liegen auch auf niedriger metamorphen (inverse Metamorphoseprofile).

- Es kommen mehrere unterschiedliche Metamorphite mit Ultrahochdruck-Geschichte vor. Sie sind auf bestimmte Schalen beschränkt. Maximale Drücke liegen bei über 4 GPa, belegt durch Diamant.

- Den Hochdruckstadien folgt eine isothermale Dekompression, was bedeutet, dass diese Gesteine sehr schnell aufstiegen.

Bei diesen spektakulären Wegen der Gesteine durch das Erdinnere bleiben Spuren zurück. Spuren, die darüber Auskunft geben, wie diese Gesteine nach oben kamen. Ihnen geht die Strukturgeologie nach.

- Es existieren strukturgeologische Konvergenzen und Divergenzen im Erscheinungsbild der Gneise (unzuverlässige Parallelisierung der Gesteine). Hauptgrund ist die mehrfache und inhomogen wirkende Deformation, vor allem Mylonitisierung (Korngrößenverkleinerung).

- Vielerorts ist Transposition (ältere Gefüge werden durch jüngere Gefüge überprägt und ausgelöscht) und nicht sedimentäre Schichtung der Grund für einen straffen Lagenbau (keine Stratigraphie möglich).

- Das Hauptgefüge ist Ergebnis der Exhumierung der Metamorphite und ihrer Platznahme im heutigen Bau (und nicht der Subduktion und Kollision).

- Für die Herauspräparation der Erzgebirgskuppel und der internen Gneisdome werden zwei Prozesse diskutiert: späte Dehnung (vielleicht als Effekt der Deformation am Rande von Megascherkörpern) und weitspannige Faltung.

- Späte Blattverschiebungen (NW-SE) spielen für den regionalen Zusammenhang eine große Rolle.

Die entscheidenden Informationen zur Rekonstruktion der Gesteinsgeschichte liefern die Untersuchungen der Geochronologie. Wie die p-T-Daten sind geochronologische Daten punktuell. Daher ist in metamorphen Terrainen eine Verallgemeinerung und Extrapolation auf die Fläche problematisch. An jeder Ecke lauern Überraschungen und es gilt: je mehr Altersdaten vorliegen, umso besser wird das Modell.

- Alle variszischen Vorgänge der Region spielten sich auf cadomischem Basement, einem Kontinentalrand Gonwanas ab. Granodiorite und Grauwacken aus dem Zeitraum 575 bis 540 Millionen Jahren bilden das Ausgangsgestein des Erzgebirgskerns (v.a. Osterzgebirge).

- Vor etwa 480 Millionen Jahren erfolgte ein weiteres magmatisches Ereignis, aus dem weitere Gneisedukte hervorgingen.

- Subduktion und Kollision bilden den plattentektonischen Hintergrund für einen ersten Metamorphosehöhepunkt im Devon, aus dem Gesteine der Zwischengebirge entstanden. Wie alle anderen saxothuringischen Metamorphite erhält auch das Erzgebirge seine Peak-Bedingungen vor 340 Millionen Jahren im Karbon.

- Abkühlungsalter belegen eine Stapelung und Aufheizperiode nach der Exhumierung der Metamorphite bei etwa 330 Millionen Jahren.

- Vor 325 Millionen Jahren ist der Verband metamorpher Gesteine fertig und wird von Graniten durchdrungen.

Letztendlich muss also die noch immer im Erzgebirge angewandte lithostratigraphische Gliederung zumindest uminterpretiert werden. Eine Eins-zu-eins-Übersetzung der üblichen Formationsbegriffe in die moderne tektonische und petrologische Interpretation ist aus genannten Gründen leider nicht möglich. Die Abbildung 6 liefert aber eine vage Parallisierung von Tektono- und Lithostratigraphie des Erzgebirges.

Quellen:

Agricola G (1556) De re metallica libri XII. Basel

Kossmat F (1925) Übersicht der Geologie von Sachsen. Leipzig

Lorenz W, Hoth K (1964) Die lithostratigraphische Gliederung des kristallinen Vorsilurs in der Fichtelgebirgisch-Erzgebirgischen Antiklinalzone, Geologie 44

Mlčoch B, Konopásek J (2010) Pre-Late Carboniferous geology along the contact of the Saxothuringian and Teplá-Barrandian zones in the area covered by younger sediments and volcanics (western Bohemian Massif, Czech Republic). J Geosc 55, 81-94

Müller H (1850) Über das Gneisgebirge um Annaberg, N Jahrb Min, 592-596

Naumann CF (1844) Geognostische Beschreibung des Königreichs Sachsen, H 5, Dresden und Leipzig

Pietzsch K (1954) Die Gneise des Sächsischen Erzgebirges. Geologie 3, 391-412

Sauer A (1904) Das alte Grundgebirge Deutschlands mit besonderer Berücksichtigung des Erzgebirges, Schwarzwaldes, der Vogesen, des Bayrischen Waldes und Fichtelgebirges, Compt rend IX Congr geol intern, Wien, 587-602

Sebastian, U (2013) Geologie des Erzgebirges. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg

Stille H (1940) Einführung in den Bau Amerikas, Berlin

Tichomirowa M (2003) Die Gneise des Erzgebirges – hochmetamorphe Äquivalente von neoproterozoisch-frühpaläozoischen Grauwacken und Granitoiden der Cadomiden, Freib Forsch-H C495

Wegener A (1912) Die Entstehung der Kontinente. Geol Rundsch 3, 276-292

Werner AG (1787) Kurze Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gebirgsarten. Dresden

Mineralogie

Grob lassen sich die Erzlagerstätten strukturell in drei Gruppen mit vager geodynamischer Zuordnung zusammenfassen:

  1. Erzlagerstätten, die die Metamorphose der variszischen Gebirgsbildung miterlebten,

  2. Lagerstätten, die ganz offensichtlich mit dem Granitmagmatismus in Verbindung stehen,

  3. Ganglagerstätten, die den variszischen Bau durchsetzen und keinen nachweislichen Zusammenhang mit den Graniten aufweisen.

An den Schalenbau gebundene Erzlagerstätten

Klassisch wird dieser Lagerstättentyp als stratiform oder schichtgebunden bezeichnet. Wir wissen heute mehr über den erzgebirgischen Lagenbau und würden die Erzlager besser als foliationsparallel bezeichnen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass es sich hier um die ältesten Lagerstätten des Erzgebirges handelt. Nur ist die Frage, wie alt sie wirklich sind. Der Lithostratigraphie folgend befinden sich die meisten foliationsparallelen Erzlagerstätten innerhalb der Preßnitz- und Klínovec-Gruppe. Vormals als proterozoisch/kambrisch angesehen, gehören die Erze damit heute in den Bereich der Hochdruck-Decken. Die geochronologischen  und geochemischen Untersuchungen zeigen, dass diese vermeintlich präkambrisch-kambrischen Gesteine einen Krustenspan ordovizisch-silurischer Schelfsedimente darstellen, der von einem sauren, etwa 480 Millionen Jahre alten Magmatismus geprägt ist. Damit ist einerseits ein Maximalalter für die Erze festgelegt und andererseits im ordovizischen Magmatismus vielleicht auch eine erste Metallquelle gefunden. Der Umstand, dass ähnliche Vorkommen auch in weiter außen liegenden Schalen mit derselben geologischen Geschichte auftauchen, könnte eine solche, bereits altpaläozoische Anlage stützen (Abb. 1).

Entsprechend des strukturellen Erscheinungsbildes und des Erztyps unterscheiden Baumann et al. 2000 drei prinzipielle Lagerstättentypen:

a) Konkordante Erzlager. Diese Vererzungen folgen straff der metamorphen Hauptfoliation – ist die Foliation gefaltet, dann ist es auch das Erz. Die Lager können bis über viele Kilometer verfolgt werden und mehrere Meter mächtig sein. Am bedeutendsten sind Magnetit- (Fe3O4) und Kupfervererzungen (Chalkopyrit CuFeS2) im Bereich der Hochdruck-Gneis-Schale. Weitere Beispiele aus verschiedenen Schalen sind:

  • Hochdruck(HP)-Gneise: Grube Himmelsfürst/Brand-Erbisdorf, Pyrrhotinlager (FeS),

  • Hochdruck(HP)-Glimmerschiefer: Pöhla-Globenstein, Polymetall,

  • Mitteldruck(MP)-Phyllit: Kraslice-Klingenthal (Abb. 2), Chalkopyrit (CuFeS2),

  • Niedrigdruck(LP)-Phyllite: Johanngeorgenstadt, Polymetall.

b)  Skarne. Skarne entstehen durch den Kontakt von magmatischen Lösungen (Fluiden) mit Karbonatgestein. Dabei kommt es zu einem Stoffaustausch, in dessen Folge die Karbonate vererzen. Skarne sind im Erzgebirge sehr verbreitet, jedoch ist in den meisten Fällen ein Zusammenhang mit den variszischen Graniten nachweisbar und die Erzkörper folgen nicht immer der Foliation. Die hier genannten Skarne sind nicht nur foliationsparallel, sie sind auch eng mit dem unter a) genannten Typ verbunden und kommen häufig im Kontakt zu den rund 480 Millionen Jahre alten Magmatiten (Muskovitgneise) vor! Bei den meisten Lagerstätten dieses Typs handelt es sich um Magnetit-, also Eisenerze. Beispiele aus den metamorphen Schalen des Erzgebirges sind:

  • HP-Gneise: Měděnec, Boden-Haßberg-Zug, Niederschmiedeberg (Abb. 3),

  • HP-Glimmerschiefer: kleine Vorkommen in Oberscheibe,

  • MP-Phyllite: Boži Dar.

c) Felsithorizonte. Dieser Typ fällt etwas aus dem Rahmen. Er ist zwar foliationsparallel ausgebildet, schneidet aber trotzdem verschiedene Petrographien. Seine Interpretation als Scherbahn und Mylonitzone ist daher nicht neu (Lorenz & Schirn 1987). Auf den fein verteilten Erz-Imprägnationen, die mal oxidisch (Magnetit Fe3O4, Kassiterit SnO2), mal sulfidisch (Pyrit FeS2, Chalkopyrit CuFeS2) ausfallen, lag zu DDR-Zeiten die Hoffnung den Bergbaustandort Freiberg halten zu können. Die Felsithorizonte kommen nur am NW-Rand der Freiberger Kuppel im Hangenden der Gneis-Eklogit-Einheit vor und sind vor allem aus Untertageaufschlüssen und Bohrungen im Raum Bräunsdorf-Halsbrücke-Großschirma-Obergruna bekannt. Lithostratigraphisch ist vor allem die Niederschlager Gruppe betroffen, die Sebastian 1995 in die „obere Scherzone“ umdeutete. Damit ist die Stoffzufuhr und –ansammlung an eine wichtige Deckengrenze des Erzgebirges gebunden. Unklar ist aber, woher das Metall kommen könnte.

An Granit gebundene Erzlagerstätten

Mit ihren oberkarbonen Intrusionsaltern durchsetzen die variszischen Granite den metamorphen Lagenbau. Ihre Lagerstätten sind von den „stratiformen“ Bildungen gut zu trennen und als spätvariszisch einzuordnen. Jeder Lagerstättenkundler, der einen Zusammenhang mit den Graniten konstatiert, muss sich aber fragen, ob die Granite auch wirklich als Stofflieferant fungierten oder ob sie nur die Umgebung „durchkochten“ und zur erneuten Mobilisation und Anreicherung der Metalle führten. Für die meisten erzgebirgischen Lagerstätten von Zinn (Kassiterit SnO2) und Wolfram (Wolframit (Fe, Mn)WO4, Scheelit CaWO4) scheint die Funktion der Granite als Lieferant gesichert.

Die Zinn-Wolfram-Assoziation ist eng mit der Anwesenheit anderer typischer Elemente verknüpft. Charakteristisch ist das Fluor, das, wie Wasser auch, bei hohen Temperaturen sehr mobil und aggressiv ist. Solche pneumatolytischen Phasen sind in der Lage, sich durch bereits erstarrten Magmatit oder sein Nebengestein regelrecht hindurchzufressen. Dass bestimmte variszische Granite tatsächlich mit Fluor angereichert sind, wurde bereits erwähnt und die Fluor-reichen Typen Eibenstock, Schellerhau und Gottesberg sind die Träger von Zinn, Wolfram und beispielsweise auch Lithium. Die Spezifik des pneumatolytischen Stoffnachschubes führte zur Bildung ganz eigener Gesteine, wie Greisen, Zwitter und Skarne.

Woher kommt eigentlich das Zinn? Zinn ist mit einem Durchschnitt von 0,0035 % am Aufbau der Erdkruste beteiligt. Theoretisch müssen nur Magmen hinreichend großer Volumina lange genug differenzieren, um genug Zinn anzureichern. Zumindest spricht die Chemie eines Teils der Zinn führenden Granite nicht für eine langwierige Mantel-Krusten-Differenziation. Ein Teil besteht sogar aus reinen S-Typ-Graniten. War womöglich das aufgeschmolzene Sedimentgestein bereits mit Zinn angereichert? Infrage kommen dafür die ordovizischen Schelfsedimente des Altpaläozoikums, die das Erzgebirge in mehrfacher Stapelung maßgeblich aufbauen. Tatsächlich haben Mingrams geochemische Untersuchungen innerhalb der Frauenbach-Gruppe Zinn-Anreicherungen ans Licht gebracht (Mingram 1998). Da diese ordovizischen Sedimentite „hoch matur“ sind, also vom Liefergebiet bis zur Ablagerung stark aufbereitet worden sind, könnte hier eine durch Verwitterung geprägte primäre Anreicherung vorliegen. Die Aufschmelzung der Schiefer und eine sekundäre Anreicherung in der hydrothermalen Restphase des Magmas brachte dann unsere Zinnerzlagerstätten hervor.

Die Freiberger Lagerstättenkundler ordnen die Zinnlagerstätten vier prinzipiellen Strukturtypen zu, die sich wiederum in verschiedene Untertypen aufspalten lassen (Abb. 4, Baumann et al. 2000):

            • Stöcke: Feldspat wird aufgelöst und dafür Quarz, (Lithium-)Glimmer und Topas gebildet (Vergreisenung); Geyer (Abb. 5), Altenberg, Zinnwald,

            • Gänge: fluide Phase des Granites entweicht in geöffnete Spalten; Pobershau, Ehrenfriedersdorf, Carlsfeld, Přebus,

            • Schlote: durch Explosionsdruck zersprengtes Nebengestein; Schneckenstein, Seiffen, Krupka,

            • Lager: Metasomatose im Nebengestein; Ehrenfriedersdorf.

Neben den vier prinzipiellen Lagerstättenstrukturen Stock, Gang, Schlot und Lager existiert im Erzgebirge, wie in anderen Lagerstättenregionen der Welt auch, noch ein weiterer Typ Zinnerz. Zinnstein (SnO2) ist mit einer Dichte von etwa 7 g/cm3 deutlich schwerer als die gesteinsbildenden Silikate, in denen er vorkommt (Dichte von Quarz: 2,65 g/cm3). Durch Dichtetrennung in Flüssen kommt es zu einer erneuten Anreicherung. Die so entstehenden Lagerstätten heißen Seifen.

Hydrothermale Gangerzlagerstätten

Die Gänge sind die markantesten Lagerstättenbildungen des Erzgebirges. Anders als die bisherigen Typen sind die Erzgänge an ein tektonisches Regime mit Sprödbruch und intensiver Dehnungskomponente gebunden. Das mineralische Material füllt dann Spalten und Klüfte und bildet Gangkreuze.

Die Spannungsregimes, die zur Zeit der Bildung der Gänge herrschten, manifestierten sich in bevorzugten Ausrichtungen der Gänge. Schon die Bergleute des Mittelalters erkannten hier Gesetzmäßigkeiten und konnten so gezielter nach neuen „Erzadern“ suchen. Gemessen an der Nordrichtung fand man, dass manche Gänge steil „stehen“ oder eher „flach“ streichen. Solche Bezeichnungen wurden dann zur Abgrenzung und Katalogisierung der Erzgänge für ganze Sektoren der Windrose übernommen (Abb. 6). Nach dem geologischen Prinzip „jung schneidet alt“ ließen sich auch Altersbeziehungen der Erzgänge zueinander herstellen. So sind im Raum Freiberg, wo mehr als 1000 Gänge bekannt sind, die so genannten Spatgänge (ESE-WNW) meist jünger als die Stehenden Gänge (NNE-SSW).

Was steckt nun in den erzgebirgischen Gängen? Zunächst unterscheidet man zwischen der tauben Gangart (Quarz, Karbonat) und den Erzmineralen, wobei die eine oder andere Gangart durchaus von wirtschaftlichem Interesse sein kann (Fluss- und Schwerspat). Innerhalb eines Gangs kann sich die Mineralisation auch ändern, und zwar meist von den Rändern (Salbändern) her nach innen. Das liegt daran, dass sich die Zusammensetzung der beliefernden Hydrothermen ändert und dass sich die selben Gänge wiederholt öffnen. Aber auch im Verlauf eines Ganges in vertikaler oder horizontaler Richtung ändert sich oft der Stoffinhalt. Hier sind es die sich im Raum ändernden physikalisch-chemischen Bedingungen, vor allem das Temperaturgefälle, die zu so genanntem Zoning und Teleskoping führen (Abb. 7).

Da bestimmte Elemente, wie bereits erwähnt, immer wieder in diversen Assoziationen auftauchen, war und ist es sehr schwierig, die einzelnen Mineralisationsphasen einander richtig zuzuordnen und zu klassifizieren. Der jeweilige Stand der Wissenschaft führte auch hier immer wieder zu eigenen Begriffen in einer zeitgemäßen Nomenklatur (Abb. 8).

Das Sammelsurium von Formationen bzw. Assoziationen lässt sich beliebig verfeinern und variiert von Lagerstättenbezirk zu Lagerstättenbezirk. Jedoch kann man zwei wichtige Bildungsgruppen herauskristallisieren:

            • die älteren Polymetallgänge mit Blei (z.B. Galenit PbS), Zink (z.B. Sphalerit     ZnS) und natürlich Silber (enthalten z.B. im Galenit oder als gediegenes         Mineral Ag) und

            • die jüngeren BiCoNi-Gänge mit Wismut (z.B. gediegen Wismut Bi), Kobalt     (z.B. Cobaltit CoAsS), Nickel (z.B. Nickelin NiAs), aber auch Uran (z.B.   Uraninit UO2), Silber und Antimon (z.B. Stibnit Sb2S3).

Quellen:

Baumann L (1968) Die Mineralparagenesen des Erzgebirges – Charakteristik und Genese. Freib Forsch-H C 230, 217-233

Baumann L, Josiger U (1995) Paragenesen, Erzgefüge und Begleitgesteine der Sulfiderzlager des Erzgebirges. Freib Forsch-H C 454

Baumann L, Kuschka E, Seifert T (2000) Lagerstätten des Erzgebirges. Enke Stuttgart

Hoth K, Lorenz W (1966) Die skarnhöffigen Horizonte des westlichen Erzgebirges. Geologie 15 (7), 769-799

Kuschka E (1997) Atlas der Hydrothermalite des Vogtlandes, Erzgebirges und Granulitgebirges. Geoprofil 7, Freiberg

Legler C (1985) Die schichtgebundenen Mineralisationen des Erzgebirges. Freib Forsch-H C 401

Lorenz W, Schirn R (1987) Mylonite, Diaphthorite und epigenetische Zinnmineralisation in der Felsitzone nordwestlich von Freiberg, Erzgebirge. Z geol Wiss 15, 5, 565-597

Mingram B (1998) The Erzgebirge, Germany – a subducted part of northern Gondwana: geochemical evidence for repetition of early Palaeozoic metasedimentary sequences in metamorphic thrust units. Geological Magazine 135, 785 – 801

Sebastian U (1995) Die Strukturentwicklung des spätorogenen Erzgebirgsaufstiegs in der Flöha-Zone – Ein weiterer Beitrag zur postkollisionalen Extension am Nordrand der Böhmischen Masse, Freib Forsch-H C 461

Sebastian, U (2013) Geologie des Erzgebirges. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg